KI-Pionier Chris Boos bei der DLD Campus Lecture 2019

Jan 24, 2019
Fidelia

„Computer verstehen gar nichts“

„Um an die These zu glauben, dass wir auf Grund von Künstlicher Intelligenz in Zukunft alle arbeitslos werden, muss man schon sehr harte Drogen nehmen“, findet Chris Boos. Seine Botschaft auf der DLD Campus Lecture an der LMU München lautet: Keine Angst vor Künstlicher Intelligenz (KI), denn es wird sich in Zukunft viel ändern, aber der Mensch wird nicht von der Maschine dominiert werden. Der Gründer und CEO von Arago, einem auf KI spezialisierten Unternehmen, ist ein echter Pionier auf seinem Feld. Er diskutierte am Montagabend mit Stefan Winners, Digitalvorstand Hubert Burda Media darüber, was KI leisten kann, worin der Mensch immer besser sein wird als ein Computer und warum die Zukunft den Generalisten gehört.

Mit dem Format DLD Campus Lecture laden die Lehrstühle WIM/Professor Hess, ECM/Professor Spann und IBIS/Professor Kranz zum zehnten Mal an die LMU ein, den IBC e.V. und dessen Partnerunternehmen kennen zu lernen. Durch renomierte Speaker erhalten die Studierenden Einblicke in die aktuellen Themen der Praxis der Digitalwirtschaft und so Anstöße für die Umsetzung eigener Ideen.

Stefan Winners (Hubert Burda Media) and Chris Boos (Arago) © Daniel Grund für Hubert Burda Media

Keine Angst vor den Maschinen

Wenn sich jemand mit Künstlicher Intelligenz auskennt, dann Chris Boos. Bereits mit acht Jahren schrieb er seine ersten Computerprogramme. Mit Anfang 20 gründete Boos dann 1995 das auf Künstliche Intelligenz spezialisierte Unternehmen Arago, das die KI-Plattform Hiro entwickelte. „Was ist denn KI eigentlich ganz genau?“ fragt Stefan Winners.

„Ich finde Künstliche Intelligenz ist ein ganz schlechter Begriff, er macht den Menschen Angst und erweckt den Eindruck, Computer seien von sich aus intelligent. Künstliche Intelligenz bedeutet nicht, dass Computer etwas verstehen, Computer verstehen gar nichts. Computer können nur das, was wir ihnen beibringen. KI bedeutet Automation, die richtig gemacht ist – Automation auf individueller Basis.“ Chris Boos, KI-Pionier

© Daniel Grund für Hubert Burda Media

Individualisierung als Anwendungsbeispiel für KI

„In welchen Branchen wird KI besonders große Auswirkungen haben?“, will Stefan Winners wissen. Boos sieht in allen Branchen Anwendungsfelder, besonders jedoch in der Logistikbranche, in der autonomes Fahren viel verändern wird, in der Wirtschaftsprüfung, in der bereits jetzt immer mehr durch Programme und nicht durch Menschen geprüft wird und in allen Bereichen, in denen individuelle Automation Vorteile bringt. „Ein gutes Beispiel ist die Tierzucht oder der Bereich Landwirtschaft. Hier bedeutet Individualisierung, dass nicht alle Hühner gleich viel Antibiotikum bekommen, nur weil eines krank ist oder nicht alle Äcker mit der gleichen Menge an Düngemittel behandelt werden müssen.“ Grundsätzlich aber könne KI bereits heute 80 Prozent aller Jobs ersetzen, ist Chris Boos überzeugt. „Und damit meine ich nicht – wie oft propagiert wird – dass Jobs wegfallen, für die man nur geringe Qualifikationen braucht. Die Substitution der Jobs findet von oben statt – es werden durch KI vor allem auch Overhead-Funktionen ersetzt werden.“

Dr. Wahrenberger, Prof. Hess, Prof. Spann © Daniel Grund für Hubert Burda Media

Was wir besser können als Computer

Dennoch gibt es laut Boos keinen Grund zur Sorge. Es gibt Bereiche, in denen KI nie so gut sein wird, wie der Mensch – dazu gehören die Feinmotorik, Kreativität und alle Interaktionen von Mensch zu Mensch, die auf Empathie und Emotionen basieren. Auf welche Qualifikationen sollen wir uns also konzentrieren, in einer Welt, in der KI immer wichtiger wird? Darauf, argumentieren zu können, auf unsere Neugierde, darauf Neues zu wagen und auf eine umfassende Bildung. „Spezialisierung können Maschinen viel besser als wir. Wir brauchen als Generalisten den Blick auf das große Ganze“, findet Boos. Er beendet das Gespräch mit einem Aufruf: „In Deutschland brauchen wir ein anderes Mindset, was KI angeht. Wir dürfen keine Angst haben, sondern müssen mehr Risiko eingehen, damit wir nicht abgehängt werden“, sagt Boos. „Und wir sollten eines nie vergessen: Es gibt so viel zu tun auf dieser Welt, so viel Potential für neue Tätigkeiten, die Computer nicht erledigen können – wenn wir das nicht erkennen, dann sind wir selber schuld.“

© Daniel Grund für Hubert Burda Media

Anschließend an die Diskussion nutzen die Teilnehmer die Chance, Chris Boos ihre vielen Fragen zu stellen. Nach dem Vortrag und der Diskussion ging es weiter zum Get-together. Auch hier war Boos ein gefragter Gesprächspartner, der sich viel Zeit für den Austausch mit den Studenten nahm. Beim Get-together konnten die Studenten zudem die IBC-Unternehmen besser kennenlernen und hatten die Möglichkeit sich zu aktuellen Stellenangeboten der Partnerunternehmen zu informieren. Wir freuen uns, dass auch viele unserer THINK DIGITAL Stipendiaten und Fellows bei dieser Veranstaltung dabei waren.

Eindrücke der DLD Campus Lecture 2019